Theater kann eine sehr hohe therapeutische Wirkung entfalten. Durch das ganzheitliche Lernen, das die kreativen Potentiale der Kinder anregt und durch das Spielen und Ausagieren auch den Körper stark einbezieht, werden Inhalte und Ideen auf vielen Ebenen erlebbar. So prägt sich das oft spielerisch Gelernte auch viel besser ein. Ein ungewöhnliches Theaterprojekt, das im August 2021 an der Donatusschule in Köln Brauweiler stattfand, ist ein sehr schöner Beleg dafür.
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Ausweichquartier nach der Flut
An der LVR-Paul-Klee-Schule in Leichlingen bei Leverkusen werden ganz besondere Schüler*innen unterrichtet: durch körperliche oder geistige Einschränkungen sind sie in ihrem Alltag und ihrem Schulleben sehr viel stärker herausgefordert, als gleichaltrige Kinder in Regelschulen.
Beim Hochwasser im Juli 2021 wurde die Schule nun zum zweiten Mal innerhalb von drei Jahren überflutet, kurz vor dem Beginn des neuen Schuljahrs. Daher wurden die Schüler*innen auf 6 neue Standorte aufgeteilt, an denen andere Schulen noch über kurzfristig verfügbare Raumkapazitäten verfügten. Zwei Klassen sind derzeit an der 20 km entfernten LVR-Donatusschule in Pulheim-Brauweiler zu Gast.
Freiräume entdecken und erobern
Dies neue Situation stellt auf vielen Ebenen zusätzliche Herausforderungen dar:
Schulmöbel, Lernmaterialen aber auch Schulbusse für die Schüler*innen, all das musste in kürzester Zeit organisiert werden. Doch das Team findet kreative Lösungen und nutzt viele Methoden des sogenannten entdeckenden Lernens. Durch private Kontakte kannte mich Catrin Geibel, eine der Lehrer*innen und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, kurzfristig ein Theaterprojekt in dieser nicht ganz einfachen Situation zu durchzuführen. Glücklicherweise konnte ich es zeitlich ermöglichen. An einem Schnuppertag und 3 Projekttagen enstanden so mehrere kurze Stücke, in die die Ideen der Schüler*innen einflossen und die auch viele der rund ums Gebäude verfügbaren Orte und das gespendete Lernmaterial nutzten.
Die DarstellerInnen
Teilnehmende waren 9 Kinder mit verschiedenen Einschränkungen im Alter von 11-13 Jahren, die von ihrem Team aus Sonderpädagoginnen, Therapeutinnen und Individualhelfer*innen begleitet werden. Als „Klimaflüchtlinge im eigenen Land“ gehen sie auf vielerlei Arten mit dieser zusätzlichen Herausforderung um. Durch die nötigen Bustransporte fällt viel Unterrichtszeit aus und auch das neue Umfeld muss verarbeitet werden. Im Rahmen des Theaterprojekts eroberterten sich die Kids das wunderbare Gelände ihrer „Notunterkunft“, das sich in der Nähe der Abtei Brauweiler befindet. Nachfolgend werden einige der Ergebnisse beschrieben.
Namensspiel und Götterfunken
Schon das Namensspiel, bei dem eine Bewegung, ein alliterierendes Adjektiv und der eigene Name kombiniert werden, sorgte für viel Heiterkeit und Mut: so wuchsen die „Laufende Laura“, der „Knieende Kilian“ und der „Idyllische Ibrahim“ schon an dieser schönen, ganzheitlichen Übung.
Durch drei gespendete Glockenspiele und die darin enthaltenen Noten, lernten die Kinder Beethovens „Ode an die Freude“ kennen.
Es wurde gemeinsam musiziert, Text gelernt, gesungen, eine Klaviatur mit grossen Noten ausf dem Boden angebracht und vieles mehr. Als Abschluss des zweiten Tages wurden dann auch andere Versionen angeschaut: darunter ein sehr berührender FlashMob der Nürnberger Symphoniker und die wunderbare Pannenversion aus der Muppetshow.
Schliesslich erfand Laura gemeinsam mit dem Musiklehrer Marius Jürgens ein Quadratzahlenlied, das den Kindern beim Lernen hilft..
Das Hörnchenparadies
Der reichhaltige Baumbestand auf dem Schulgelände wurde in ein Stück über diverse Hörnchenarten einbezogen. Ausgangspunkt war zunächst eine am Schnippertag von vier Schüler*innen entwickelte Improviationen über Eichhörnchen. Diese wurde von Tag weiter ausgebaut und viele Sinnenebenen einbezogen. Der Biologieunterricht fand durch den Vergleich der verschiedenen Bäume durch die Hintertür statt: sie wurden betrachtet, Baumrinden wurden befühlt, ihre Blätter und Früchte gesucht und erklärt.
Neben real exitierenden Eich- und Streifenhörnchen wurden auch neue Hörnchen erfunden: das Walhörnchen als Spezialist für Walnüsse, das Birkhörnchen, das sich schwarz-weiss tarnt oder das kanadische Ahörnchen, das Ahornsirup herstellt.
Georgius beim Pferderennen
Ein anderes Stück bot dem jungen Georgius sie Gelegenheit, seine beiden Pferde Melanie und Maxim zu einem Reitturnier zu bringen, wo sie über einen aus Hütchen gebauten Parcours liefen. Rolllende Tafeln dienten als Pferdetransporter, einfache Lieder wurden umgetextet, Masken und Medaillen gebastelt um am letzten Tag eine Aussführung in mehreren Einzelsezenen zu ermöglichen.
So wurden über die Stücke viele Bezüge zum neuen Unterrichtsort ermöglicht. Die Traurigkeit, die der Verlust der alten Schule durch die Fluten ausgelöst hatte, wurde angesprochen und durch die vielfältigen Möglichkeiten im neuen Schulgebäuse teilweise kompensiert. Auch das Team wurde entlastet und hatte viel Spass an den vielen Anregungen aus der Theaterpraxis.
Pausen und Entspannung
Das Entwickeln der Geschichten, die schnelle Umsetzung Wichtig war es auch, den Kindern neue Möglichkeiten zur Selbstregulierung zu ermöglichen. Die einfache Erlaubnis, beim Theaterunterricht in die Kreismitte zu gehen um dort frei zu reden war ein Unterschied zum Melden im normalen Unterricht.
Die gemeinsamen vorgenommenen Umbauten des Klassenzimmers zu immer neuen Bühnenbildern und Lernsettings, die Möglichkeit auf dem Boden liegen zu dürfen bot neue Gelegenheiten sich zu erleben.
Für das pädagogische Team war es immer wieder eine interessante Erfahrung, welche positiven Überraschungen ihre Schützlinge offenbarten. Nicolas wuchs als Dr. Vitüchter zu einem wahren Hörchchenexperten heran, der seine Moderationen und Hörnchen-Interviews souverän meisterte.
Zukünftige Möglichkeiten
Denkbar ist, dass die erarbeiteten Stücke auch weiterhin geübt und frisch gehalten werden, um sie so später auch anderen Schulklassen vorführen zu können. Derzeit werden die entstandenen Fotos und Videos, die im Laufe des Projektes entstanden sind, gesichtet, um daraus vielleicht einen kurzes Erinnerungsvideo für alle Beteiligten zu erstellen, das vielleicht sogar öffentlich gemacht werden kann.
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